The Federal President of the Republic of Austrian Dr. Heinz Fischer addresses Austrians on the Austrian National Day 2010.
Fernsehansprache zum Nationalfeiertag 2010
Guten Abend, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Heute, am 26. Oktober, feiern wir unseren Nationalfeiertag.
“Warum gibt es eigentlich einen Nationalfeiertag?”, bin ich kürzlich von einem Schüler gefragt worden.
Die Antwort lautet: Weil es das Bedürfnis gibt, einen historisch bedeutsamen Tag dem eigenen Land, der eigenen Geschichte und unseren gemeinsamen Werten zu widmen.
Aus diesen Gründen gibt es in fast allen Ländern der Welt einen Nationalfeiertag.
In Österreich ist dies der 26. Oktober, der Tag an dem 1955 das Neutralitätsgesetz beschlossen wurde, nachdem der letzte ausländische Besatzungssoldat unser Land verlassen hatte.
Liebe Österreicherinnen und Österreicher!
Am 8. Juli 2010 hat nach einem sehr erfreulichen Wahlergebnis meine zweite Amtsperiode als Bundespräsident begonnen.
Die Prinzipien der Überparteilichkeit, der Ausgewogenheit und des Brückenbauens, sowie die Bedachtnahme auf das Wohl des ganzen Landes werde ich auch in meiner 2. Amtsperiode hochhalten.
Heute möchte ich drei Themen besonders ansprechen:
Erstens: Wir haben jetzt genügend Beispielsfälle, um zu erkennen, dass wir im Bereich des Flüchtlingswesens, der Asylpolitik und der Zuwanderung aus Fehlern lernen und einiges besser machen müssen.
Es steht außer Streit, dass es keine unbegrenzte, ungeregelte Zuwanderung nach Österreich geben kann. Das gibt es in keinem Land Europas.
Daher muss die Zuwanderung nach klaren Regeln und unter Bedachtnahme auf die Interessen unseres Landes organisiert sein. Ohne die Probleme zu übersehen, die damit verbunden sind, aber auch ohne die Chancen zu übersehen, die in einer vernünftig geregelten Zuwanderung liegen.
Die in Vorbereitung befindliche Rot-Weiss-Rot-Card sollte ein Schritt in die richtige Richtung sein.
Und was den Umgang mit Menschen betrifft, die schon viele Jahre hier sind, die unsere Sprache sprechen und integriert sind und wo allenfalls auch Kinder betroffen sind, da entstehen die meisten Härtefälle. Diesem Personenkreis nach bestimmten Kriterien ein Bleiberecht zu geben, würde viel Arbeit sparen, aber auch viele Tränen und viel Kritik.
Vergessen wir nicht:
Jedes Aktenstück enthält das Schicksal einer Familie.
Und hinter jedem Namen steht ein Mensch.
Meine Damen und Herren!
Ein zweites Thema, das mir aufgrund meiner Funktion sehr am Herzen liegt, ist unser Bundesheer. Das Österreichische Bundesheer kann mehr und leistet mehr als viele von uns annehmen.
Dennoch ist es legitim, immer wieder über Reformen nachzudenken und zu diskutieren.
Aber die Grundregel muss lauten: Von dem in der Verfassung und auch in der gemeinsamen Regierungserklärung verankerten Prinzip der Allgemeinen Wehrpflicht – ergänzt um Berufs- und Milizsoldaten – wird nur abgegangen, wenn ein eindeutig besseres Modell auf dem Tisch liegt. Besser heißt auch, dass es nicht teurer ist als das bestehende System.
Mit einem Wort: zuerst prüfen, dann entscheiden.
Noch einen dritten Punkt möchte ich heute anschneiden: Es kann nicht oft genug gesagt werden, wie wichtig Schule, Bildung, Wissenschaft und Forschung für die Zukunft unseres Landes sind.
Unser Bildungssystem muss auf der Erfahrung und dem Wissen unserer Bildungsexperten beruhen, sich an den Interessen von Eltern und Kindern orientieren und von motivierten Lehrerinnen und Lehrern getragen werden. Denn das beste Bildungssystem ist gerade gut genug!
Da ist kein Platz für Kompetenz- und Machtspiele, denn es geht um Regelungen für die Zukunft unserer Kinder in ganz Österreich.
Das führt mich zum Thema Wissenschaft und Forschung: Was wir auf diesem Gebiet heute an notwendigen Investitionen unterlassen, bezahlen wir morgen doppelt in Form von verringerter Konkurrenzfähigkeit, von verlorenen Arbeitsplätzen und schlechter Platzierung in der internationalen Wissensgesellschaft.
Daher habe ich Verständnis für die Sorgen von Wissenschaftern, Lehrenden und Studierenden.
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger!
Die Bundesregierung hat am vergangenen Wochenende – wenn auch verspätet gegenüber dem von der Verfassung vorgegebenen Zeitplan – Grundzüge für den Staatshaushalt 2011 vorgelegt.
Man kann darin das Bemühen zur Dämpfung des Budgetdefizites auf der Basis eines Kompromisses zwischen den beiden Regierungsparteien erkennen und anerkennen.
Was wir aber darüber hinaus benötigen, ist ein längerfristiger Reformkompass, eine Perspektive 2020, die erkennen lässt, dass wir Verantwortung für die Zukunft übernehmen und dabei das Prinzip der sozialen Ausgewogenheit nicht außer Acht lassen.
Jetzt liegen zwei Landtagswahlen hinter uns, die viel Kraft gekostet und viel Aufmerksamkeit gefunden haben.
Daher ist es wichtig, dass die beiden kommenden Jahre genützt werden, um bisher ungelöst gebliebene Aufgaben zu lösen und an einer solchen längerfristigen Perspektive zu arbeiten.
Damit kann auch das Vertrauen in die Politik und in unser demokratisches System gefestigt werden.
Und das ist dringend notwendig!
Liebe Österreicherinnen und Österreicher!
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen einen schönen Abend.